Uralte Klöster, geheimnisvolle Lost Places, kräfteraubende Touren und Geocaches, die einmal pro Jahr gefunden werden. Eine Woche lang entdeckten wir den Heiligen Berg Athos, erlebten mystische Liturgien gottergebener Mönche, trafen außergewöhnliche Menschen und lernten, dass man nichts besitzen und doch alles haben kann. Hier vergehen schonmal 1-2 Jahre bis zum FTF! Einige Caches wurden in 7 Jahren nur 7 mal gefunden.
Dies ist Teil 3 unserer Artikelserie “Pilgern und Geocachen auf dem Heiligen Berg Athos”. Teil 1 mit vielen Informationen rund um den Athos und einer Liste der verfügbaren Geocaches, findest du hier (Link öffnet in einem neuen Fenster).
Aufbruch im Kloster Karakallou: Das Paket des Mönchs und wie es trotz aller Planung anders kam
Ein neuer Morgen auf dem Heiligen Berg Athos. Nach einer kurzen Nacht sind wir schon in aller Frühe auf den Beinen und gehen den Plan und die Strecke für den heutigen Tag durch. Unser heutiges Tagesziel ist das größte Kloster auf dem Athos: Megisti Lavra.
Gerade als wir in den letzten Zügen unserer Planungen sind und aufbrechen möchten, kommt der Mönch mit der Zipfelmütze, der uns gestern so freundlich im Kloster Karakallou empfangen hatte, auf uns zu. In seiner Hand hält er ein Paket. Er lächelt und zeigt auf einen kleinen Transporter aus den 70er-Jahren, der vor dem Kloster parkt. Dieser beliefert die mit der Sandstraße verbundenen Klöster in unregelmäßigen Abständen mit Waren, die dort nicht selbst hergestellt werden, wie z. B. Treibstoff, Seife und bestimmte Nahrungsmittel. Im Gegenzug nutzen die Klöster und die Pilger diese Fahrmöglichkeit, um selbst in den zentralen Ort der Insel, Karyes, zu kommen.
Er überreicht uns das Paket, das er in der Hand hält und erzählt uns, dass es einem kranken Mönch gehört, der nicht in der Lage ist selbst nach Karyes zu fahren um es in dem kleinen Postamt abzugeben. Er bittet uns deshalb, dies für ihn zu tun. Hmm… eigentlich passt uns das gar nicht in den Plan, der mit einem unvorhergesehenen Besuch in Karyes völlig aus den Fugen geraten würde. Nach der Gastfreundschaft und der Wärme die uns die Mönche im Kloster haben zuteil kommen lassen, ist dieser Gefallen selbstverständlich. Zumal es auch ein Ausdruck des Vertrauens ist, das der Mönch uns erweist. Wir nehmen das Paket an, bedanken uns nochmal für Übernachtung und Verpflegung und steigen in den Transporter.
Mit uns steigen auch die beiden anderen Pilger ein, die hier übernachtet haben. Einer der beiden, ein etwa 50 jähriger grauhaariger Mann, ist uns bereits gestern Abend aufgefallen. Er ist abgemagert, wirkt krank und blass. Seine Augen haben einen gelben Schimmer. Sein Gang ist langsam und träge. Wir werden, wie so häufig auf dieser Reise, nachdenklich. In diesem Moment wird uns klar, wie gesegnet wir sind. Gesund und in der Lage, die kräftezehrenden Touren auf dem Athos aus eigener Kraft zu bewältigen. Es herrscht Stille im Transporter. Nur das Hecheln des 30 Jahre alten Motors und das Schlagen der Achsen auf der buckeligen Piste sind noch zu hören.
Karyes: Ein Essen, ein Mokka und ein glücklicher Zufall
Etwa eine halbe Stunde später stehen wir auf dem Hauptplatz von Karyes. Wir geben, wie wir es dem Mönch versprochen haben, das Paket im Postamt ab und nutzen die Möglichkeit im nahegelegenen Gasthaus ein warmes Mittagessen zu uns zu nehmen.
Beim anschließenden griechischen Mokka grübeln wir, wie wir nach diesem unverhofften Zwischenstopp in Karyes, heute noch nach Megisti Lavra gelangen können. Es gestaltet sich äußerst schwierig, da wir die Touren und Fußwege im Vorfeld mithilfe von Google Earth, dem uns zur Verfügung stehenden Kartenmaterial und vor allem viel Zeit geplant haben. Jetzt auf die Schnelle einen erfolgversprechenden Plan auszutüfteln, um noch vor Sonnenuntergang in Lavra zu sein, erscheint fast unmöglich. Doch auch heute ist das Schicksal auf unserer Seite.
Eher beiläufig bekommen wir mit, dass eine gerade angekommene Pilgergruppe aus Rumänien ebenfalls nach Megisti Lavra reisen möchte. Die Gruppe ist groß genug und konnte einen Transporter klar machen, der sie dorthin fährt. Wir sprechen mit dem Fahrer. Er hat noch genau zwei Plätze frei. Was für ein Glück! Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichen wir das Kloster Megisti Lavra.
Megisti Lavra – Das älteste, größte und ranghöchste Kloster auf dem Heiligen Berg Athos
Megisti Lavra ist nicht nur das größte, sondern auch das älteste und ranghöchste der 24 Klöster des Athos. Seine Gründung durch Athanasios dem Athoniten, geht auf das Jahr 963 n. Chr. zurück. Die Bibliothek des Klosters ist die größte auf dem Athos. Sie umfasst über 2.000 handschriftliche Kodizes mit seltenen Texten, wundervollen Miniaturen, kunstvollen Überschriften und Initialen sowie 30.000 Bücher.
Zu den wertvollsten Besitztümern des Klosters zählen neben den tausenden mittelalterlichen Schriftstücken auch verschiedene Heiligenreliquien, eine umfangreiche Ikonensammlung mit Werken aus dem 11. Jahrhundert n. Chr., ein Evangeliar aus derselben Epoche, ein Silberkreuz des byzantinischen Kaisers Nikephoros II. Phokas sowie ein Stück des ehrwürdigen Kreuzholzes Jesus Christus. Das Kloster beansprucht ein Stück des Kreuzes zu besitzen, an dem Jesus Christus starb. Wir würden es nur zu gerne zu Gesicht bekommen.
Wir betreten das Klostergelände und folgen den rumänischen Pilgern zum dem Gastmönch, dem Archondari. Nach der obligatorischen Begrüßung, einem Glas Wasser, einem Mokka und einem Stückchen Loukoumi tragen wir uns in das Gästebuch ein.
Der junge Mönch führt uns zu unseren Schlafstätten. Wir bekommen, anders als in den bisherigen Klöstern in denen wir übernachtet haben, kein eigenes Zimmer sondern einen Schlafsaal zugewiesen, der Platz für mindestens 20 Personen bietet. Man merkt direkt, dass dieses Kloster das Jahr über deutlich mehr Pilger empfängt als Stavronikita und Karakallou. Zu unserer Verwunderung werden die rumänischen Pilger zu einem anderen Schlafsaal geführt. Offenbar versucht man die Gruppen soweit möglich nach Nationalitäten bzw. Sprache gemeinsam unterzubringen. Alex und ich sind mit den griechischen Pilgern gemeinsam untergebracht. Die Hauptpilgerzeit beginnt nach Ostern und zieht sich in den Sommer. Da wir noch Mai haben, sind nur wenige andere Pilger hier und so teilen wir uns den großen Schlafsaal mit gerade mal vier Gleichgesinnten.
Schnell kommen wir mit ihnen ins Gespräch und beschließen die Zeit bis zur Messe gemeinsam mit einem Spaziergang über das Klostergelände zu verbringen. Anders als die Klöster die wir bisher besucht haben, ähnelt Megisti Lavra mehr einem kleinen Dorf, das von einer mit mehreren Verteidigungstürmen versehenen Befestigungsmauer umgeben ist. Mehrstöckige Gebäude reihen sich rund um einen weitläufigen Hof, wo sich das Katholikon und mehrere Kapellen, das Refektorium und andere Bauten befinden. All das wird von dem imposanten, altertümlichen Turm des Kaisers Tsimiskes beherrscht.
Die Heilige Messe hält Neues für uns bereit: Reliquienverehrung
Das Sematron erklingt. Wir eilen zur Kirche. Die Messe selbst ähnelt in den Abläufen dem, was wir auch in Stavronikita und Karakallou erlebt haben. Wir bekommen zunehmend Routine was die Liturgieabfolge betrifft. Wir haben Hunger und freuen uns auf das Essen nach der Messe.
Doch noch bevor wir zur Trapeza aufbrechen können werden wir plötzlich von einem Mönch aufgehalten, der uns ins Kircheninnere bittet. Es sei Zeit für die Reliquienverehrung. Reliquienverehrung? Wir wissen nicht so recht was uns erwartet. In den beiden Klöstern in denen wir bisher zu Gast waren, gab es das nicht. Die rumänischen Pilger und unsere Zimmergenossen bilden eine Schlange vor dem Altar. Wir reihen uns ein und werden Zeugen eines für weltlich geprägte Menschen äußerst außergewöhnlichen Rituals. Auf dem Altar werden verschiedene Gegenstände aufgebahrt. Es handelt sich um die Reliquien des Klosters. Ein Mönch erläutert den Pilgern die Objekte.
Die sterblichen Überreste des Heiligen Athanasios dem Athoniten, dem Gründer des Klosters, liegen in einer flachen, quadratischen Urne aus purem Gold.
Die Pilger gehen unter den strengen Augen eines Mönchs, an jedem einzelnen Objekt vorbei, bekreuzigen sich und küssen es im Anschluss. Wir machen das gleiche.
Und dann ist es soweit. Wir stehen vor einem dicken Stück Holz, dass in ein etwa 60 Zentimeter großes Goldkreuz eingelassen ist. Handelt es sich hierbei wahrhaftig um ein echtes Stück des Heiligen Kreuzes an dem Jesus Christus in Jerusalem gekreuzigt wurde? Das Kreuz Christi soll um das Jahr 325 bei Ausgrabungen unter einem heidnischen Tempel von Helena, der Mutter des byzantinischen Kaisers Konstantin des Großen, bei Ihrer Reise ins Heilige Land gefunden worden sein. Einen Teil der Kreuzreliquien nahm Helena nach historischen Berichten mit nach Konstantinopel, der Rest soll in Jerusalem verblieben sein. Es ist gut möglich, dass Teile des Kreuzes aus der Kaiserstadt nach Athos gelangt sind. Spätestens seit dem 11. Jahrhundert n. Chr. war Athos neben Konstantinopel selbst ein spirituelles Zentrum des oströmischen Reiches und wurde regelmäßig von den byzantinischen Kaisern bedacht. Wir wollen in diesem Moment glauben, dass es sich hierbei um ein echtes Stück des Heiligen Kreuzes handelt und passieren voller Ehrfurcht diesen letzten Teil der Reliquienverehrung.
Tief beeindruckt ob dieses Moments, schreiten wir im Anschluss schweigend mit allen anderen Pilgern in Richtung Trapeza, wo uns die Mönche bereits mit einer (leider kalten) Bohnensuppe, Brot und etwas Obst erwarten.
Nach dem Essen und einem kleinen Spaziergang über das Klostergelände an diesem warmen Frühlingsabend, gehen wir zurück in unseren Schlafsaal. Auf die Nachtmesse verzichten wir heute. Wir legen uns früh schlafen, denn morgen steht der schwierigste Part unserer Reise auf dem Programm. Er führt uns über die Südseite des Heiligen Berg Athos durch die „Eremia“, wie sie von den Einheimischen genannt wird, „der einsamen Wüste“.
Die Höhle des Heiligen Athanasios und ein weiser Rat eines Mönchs
Am nächsten Morgen sind wir wieder sehr früh auf den Beinen. Unser erstes Ziel heute ist die rumänische Skite Timiou Prodromou. Auf dem Klostergelände von Megisti Lavra begegnet uns ein junger Mönch. Als er erfährt wo wir hinwollen nickt er, bittet uns vorsichtig zu sein und warnt uns vor den Hyänen, die in diesem einsamen Teil des Athos zahlreich zu finden seien. Er segnet unsere bevorstehende Tour und es kann losgehen.
Der Weg zur rumänischen Skite ist nicht sonderlich spektakulär. Er führt uns an der Ostseite des Heiligen Berges direkt an der Küste entlang. Nach etwa anderthalb Stunden kommen wir an. Im direkten Umfeld der Skite warten auf uns zwei wesentliche Vorhaben:
Zum einen der Cache THE CAVE OF ATHANASIOS (GC2XV0B). Er liegt in der Nähe der Höhle, in der Athanasios der Athonit als Eremit gelebt haben soll. Zum anderen möchten wir Patir Iosif besuchen. Einen Mönch, den in Griechenland jedes Kind kennt. Seine Bekanntheit erlangte er schon vor Jahren, als er von seinem Haus auf dem Athos aus mit riesigen Flaggen griechische Kampfjets zu segnen. Die Kampfpiloten die in der nördlichen Ägäis ihren Dienst absolvieren, fliegen hierzu vor oder nach dem Einsatz flach über ihn hinweg. Patir Iosif segnet sie, indem er wahlweise die Flagge Griechenlands oder des Athos schwenkt. Die Piloten grüßen zurück, indem sie ihre Flieger steil nach oben ziehen und durch die Formation ihrer Flügel ein Kreuz im Himmel bilden. Ein beeindruckendes Schauspiel:
Ihn wollen wir besuchen und hoffen, dass er Zeit und Muse hat, uns zu empfangen. Viel Zeit bleibt uns aber nicht. Im Anschluss warten noch ein langer Weg und der Aufstieg auf den Heiligen Berg auf uns.
Ein Geocache an einer einsamen Stelle: GC2XV0B THE CAVE OF ATHANASIOS
Der Archondari der rumänischen Skite erklärt uns wo wir die Höhle des Athanasios und Patir Iosifs Haus finden – zum Glück spricht er Griechisch. Wir legen unsere schweren Rucksäcke ab und gehen los. Hinter der Skite liegen große, vom Kloster für den Obst- und Gemüseanbau angelegte Felder. Die schmalen Wege sind nicht ausgeschildert, wir verirren uns mehrfach. Schließlich kommen wir an eine Klippe. Eine lange Steintreppe mit unzähligen Stufen, die ins Bergmassiv gehauen wurden, führt eine über 300 Meter lange Steilwand hinunter. Dort unten muss sich irgendwo die Höhle des Athanasios und damit auch das Versteck von THE CAVE OF ATHANASIOS (GC2XV0B) befinden.
Wir steigen die Treppen hinab. Das GPS bestätigt uns, dass wir uns langsam den Koordinaten der Dose nähern. Einige Schritte und Stufen weiter und wir erblicken die Höhle, in der der Heilige Athanasios als Eremit gelebt haben soll. Jetzt im Frühling an einem sonnigen Tag, wirkt die Stelle friedlich. Wenn es stürmt und die See rau ist, wird es hier mit Sicherheit sehr, sehr ungemütlich.
Die Suche nach dem Geocache läuft weniger entspannt, als dieser abgelegene Ort es vermuten ließe. Denn unmittelbar hinter der Location lebt auch heute ein Eremit. Inzwischen zwar nicht in der Höhle, sondern in einer selbstgebauten Skite, aber für Störungen wird er eher kein Verständnis haben und ob wir ihn für Geocaching gewinnen könnten, ist zumindest fraglich 😉
Nach längerer Suche sind wir kurz vorm Aufgeben. Da zeigt sich die Dose doch noch: Sie ist in einem kleinen Loch zwischen den Felsen nach unten gerutscht ist und hat sich verkeilt. Es lebe das Multitool und unsere Beharrlichkeit… die Dose konnten wir freilegen und schon stehen wir im Logbuch.
Der Cache hat eine für Athos ganz typische Bilanz: 6 Teams haben ihn in 6 Jahren gefunden. Bis zum FTF vergingen 5 Monate und bis zum STF fast 3 Jahre! Zwar handelt es sich um eine Filmdose. Doch hier auf Athos ist nicht der Geocache selbst entscheidend, sondern die interessanten Stellen, die durch ihn gezeigt werden, verbunden mit einem einmaligen Erlebnis.
Pater Iosif – ein Mönch mit Kampfpilotenuniform, der für den wahren Frieden betet
Patir Iosif gehört zu den Mönchen, die nicht direkt im Kloster leben und auch nicht in dessen Abläufe eingebunden sind. Sein Haus liegt etwas Abseits jenseits der Klostermauern an einer exponierten Stelle am Rande eines Felsmassivs. Es ist von Weitem an der dort wehenden, großen gelben Flagge mit dem byzantinischen Doppelkopfadler zu erkennen, die gleichzeitig auch die Fahne der Mönchsrepublik Athos ist. Den Weg zu seinem Haus auf den unzähligen Wegen durch die unübersichtlich angelegten Obst- und Gemüseplantagen zu finden, gestaltet sich jedoch nicht so einfach. Nach einiger Zeit stehen wir vor dem Tor der Grundstücksmauer seines Hauses. Wir sehen einen älteren Herrn, der mit einer Hilti gerade an einer Mauer meißelt.
„Patir Iosif?“
„Ja, der bin ich.“
„Evlogite, wir würden Sie gerne besuchen.“
„O Kyrios, tretet ein!“
Wir stehen vor dem berühmten Mönch aus den Youtube-Videos, der die Fahne schwenkt. Kurze Zeit später sitzen wir mit ihm bei einem Glas Wasser und Loukoumi auf seiner Terrasse und hören gespannt seinen Ausführungen über die Geschichte des Heiligen Ortes zu. Im Süden die Ägäis und im Norden der an den Gipfeln schneebedeckte Heilige Berg Athos. Nachdem wir uns gestärkt haben bittet er uns ins Haus. Das kleine Gebäude beherbergt sogar eine eigene kleine Kapelle, die von Patir Iosif ausgebaut und gepflegt wird. Hier betet er.
Ein Raum weiter: Uniform und Helm eines Kampfpiloten. Moment! Bei einem Mönch? „Die hat mir ein Offizier nach seiner Pensionierung geschenkt“, klärt uns Patir Iosif auf.
Mit den Jahren hat Patir Iosif mit einigen der Kampfflieger, die er segnete, enge Freundschaften geschlossen und wird regelmäßig von ihnen besucht. Wir fragen ihn, warum er mit der Fahne die Kampfflugzeuge grüßt. Dann wird seine Miene ernst:
Ich segne unsere tapferen Piloten, die durch ihren Einsatz den Frieden und die Freiheit unserer Nation garantieren, damit sie sicher heimkehren zu ihren Familien. Der wahre und absolute Frieden ist jedoch nur in Gott zu finden und kann nicht am Himmel oder auf der Erde erkämpft werden.
Die Sorgen Pater Iosifs sind nicht unbegründet. Die Grenzen in der Ägäis sind strittig. Dogfights nennt sich das, was sich die türkische und die griechische Luftwaffe fast jeden Tag über dem Meer liefern. Wie Hunde umkreisen sich die Jets, bis der Stärkere die Oberhand gewinnt. Immer an der Schwelle einen Krieg zwischen den beiden Ländern auszulösen.
Patir Iosif zeigt uns die beiden Fahnen und Bilder von sich, auf denen er sie schwenkt.
Wir würden gerne noch länger bleiben. So beeindruckt sind wir von dem alten Mönch. Aber die Zeit drängt. Wie viele andere Mönche in den Tagen zuvor gibt uns auch Patir Iosif einen Rat mit auf den Weg: “Steigt nicht auf den Gipfel auf”. Die starken Schneefälle des vergangenen Winters würden ein Durchkommen unmöglich machen. Es wäre manchmal schwierig, auf etwas, was man unbedingt möchte, zu verzichten und doch sei es der richtige Weg. Er schaut uns ernst an. Uns ist klar: Das ist nicht einfach nur ein allgemeiner Rat. Er hat erkannt, dass wir unserem großen Ziel, den Gipfel zu erreichen, so sehr entgegenfiebern, dass wir Risiken eingehen würden, die wir nicht vollständig überblicken können.
Wir nicken und verabschieden uns.
Weg über die Eremia und Zeit für eine Entscheidung
Zurück in der Skite Timiou Prodromou setzen wir unsere Rucksäcke auf und machen uns auf den Weg. Der Anstieg auf den Heiligen Berg von der Ostseite aus gestaltet sich wie erwartet mühselig. Es geht kilometerlang steil bergauf auf unbefestigten Wegen. Geröll, Steine, steile enge und schwer zu durchlaufende Pfade sowie blockige Felspassagen und umgefallene Bäume – ein trittsicherer Pfad auf den wir mal treffen, ist die Ausnahme. Der Weg erfordert durchweg höchste Konzentration. Das Risiko umzuknicken, zu stürzen oder Sehnen und Muskeln zu überanstrengen ist allgegenwärtig.
Die mächtigen Hänge des Athos Massivs sind hier mit Pinien, Kiefern und Kastanien, dort mit Ginster und Zistrosen bedeckt. Wir passieren Wasserfälle und kleine Bäche mit klarem, sauberem Bergquellwasser. Es bietet sich uns ein Naturerlebnis von höchster Güte. Durch die exponierte Lage des Berges am äußersten Ende der Athos Halbinsel und die derzeit unbeständige Wetterlage ändert sich das Klima auf unserer Tour immer wieder schlagartig. Windstille, die uns warme Phasen bietet und kalte Windböen, die den gesamten Wald in ein Geräuschmeer aus raschelnden Blättern und heulenden Luftzügen verwandeln, wechseln sich ab.
Während unserer Tour treffen wir erwartungsgemäß niemanden. Das bedeutet aber nicht, dass hier oben in den Wäldern und Felsformationen keine Menschen leben. Gerade hier in der Eremia sind sie zu finden, die Asketen und Eremiten, meist in schwer zugänglichen Höhlen und Kleinstbauten und machen dieses Areal zum mystischsten Ort auf dem gesamten Athos. Zu Gesicht bekommt man sie fast nie. Diejenigen, die den weltlichen Einflüssen vollends entsagen und durch Einsamkeit, Einkehr und ständigem Gebet danach streben, das christliche Ideal und die Schau des unerschaffenen göttlichen Lichts zu erblicken.
Nach mehreren Stunden ständigen Anstiegs und passieren die Waldgrenze. Kurz darauf erreichen wir die Stelle, an der sich entscheidet, ob wir weiter zum Gipfel marschieren oder den Abstieg zur Skite Agia Anna angehen werden. Wir machen eine längere Pause, legen die schweren Rucksäcke ab, widmen uns unseren letzten Proviantreserven und füllen an einer Quelle unsere Wasserflaschen auf. Dann blicken wir nach oben. Schnee wohin das Auge reicht. Der Gipfel erscheint ohne entsprechende Ausrüstung derzeit unerreichbar zu sein.
Da steht vor unserem inneren Auge Patir Iosif, wie er mahnend zu uns spricht. Er hat Recht. Alle anderen Mönche haben auch Recht. Es ist nicht der richtige Moment! Die Witterung lässt es nicht zu und das Risiko ist deutlich zu hoch. Wir treffen schweren Herzens die Entscheidung, nicht aufzusteigen. Gleichzeitig ist uns beiden aber in diesem Moment eines klar: Wir werden irgendwann in einem Sommer wieder herkommen und auf den Gipfel steigen!
Ein wenig wehmütig blicken wir in die Richtung, in der die Skite Agia Anna liegt. Vor uns liegen drei Stunden Abstieg durch teilweise sehr steile Kehren. Die Kraft lässt nach. Die letzten Tage haben wir aufgrund des frühen Aufbrechens von den Klöstern sehr unregelmäßig und vor allem auch wenig gegessen. Die schweren Rucksäcke tun ihr übriges. Das macht sich jetzt auf den letzten Kilometern bemerkbar. Die Schritte werden schwerer, die Konzentration lässt nach.
Skite Agia Anna: Der Tag endet mit einem magischen Blick auf die Ägäis
Endlich! Wir stehen vor der Skite Agia Anna, deren unzählige kleinere und größere Gebäude sich weitläufig über den Westhang des Heiligen Berges erstrecken. 15 1/2 km sind wir gegangen, 800 Höhenmeter aufgestiegen, 650 wieder abgestiegen. Das war der bislang anstrengendste Abschnitt unserer Tour.
Die Skite ist mit Fahrzeugen nicht zu erreichen. Das nächste mit der Sandstraße des Athos verbundene Großkloster ist Agiou Pavlou. Der Transport der für die Skite Agia Anna bestimmten Waren, erfolgt von Agiou Pavlou aus mit Hilfe von Eseln. Von dort aus erreichen auch fast alle Pilger die Skite. Wir betreten einen kleineren Gebäudekomplex mit Innenhof, wo sich die Kirche und die Zimmer für die Pilger befinden.
Wir sind spät dran, die Messe ging gerade zu Ende. Mit unserem Mordshunger schließen wir uns den anderen Pilgern und Mönchen an, die in Richtung Trapeza unterwegs sind. Nach dem Essen wird auf der Veranda griechischer Mokka gereicht. Dort verbringen wir auch den Rest des Abends und genießen den magischen Blick auf die Ägäis.
Die weiteren Teile unserer Artikelserie “Pilgern und Geocachen auf dem Heiligen Berg Athos” findest du hier:
Teil 1: Auf gehts ins Abenteuer
Teil 2: Iviron, Karakallou und ein Geocache samt Maler
Teil 3: Megisti Lavra und eine schmerzliche Entscheidung
Teil 4: Letzte Schritte auf dem Athos und ein TTF nach 4 Jahren
Pingback:Pilgern und Geocachen auf dem Heiligen Berg Athos 1: Auf geht's ins Abenteuer - geoadventures.blog
Pingback:Pilgern und Geocachen auf dem Heiligen Berg Athos 4: Letzte Schritte auf dem Athos und ein TTF nach 4 Jahren - geoadventures.blog
Pingback:Pilgern und Geocachen auf dem Heiligen Berg Athos 2: Iviron, Karakallou und ein Geocache samt Maler - geoadventures.blog