Pilgern und Geocachen auf dem Heiligen Berg Athos 1: Auf geht’s ins Abenteuer

Kloster Stavronikita

Sommer, Sonne, Meer, Entspannung – nicht heute. Heute beginnt unser Abenteuer. Sieben Tage werden wir in der autonomen Mönchsrepublik Athos unterwegs sein und dem Heiligen Berg möglichst viele seiner mystischen Geheimnisse entlocken. Seine einzigartige landschaftliche, kulturelle und geschichtliche Vielfalt erleben und vielleicht Antworten auf spirituelle Fragen erhalten, die uns im sonst so hektischen Alltag verborgen bleiben. Unser Weg wird uns über die alten Fußpfade von Kloster zu Kloster führen, die seit hunderten von Jahren den Mönchen als Verbindung dienen. Teils schöne Pfade, am Meer entlang, teils Kletterpartien über Felsen und loses Gestein an einer Steilküste. Gut ausgebaute Straßen oder Wanderwege, wie man sie von zuhause kennt, gibt es auf Athos nicht. Zwar verbindet eine Sandstraße aus den 60er Jahren die großen Klöster miteinander, doch wird diese eher sporadisch mit Kleinbussen in zweifelhaftem Zustand bedient.

Eine Reise voller Wagnisse und Ungewissheiten erwartet uns. Touristisch erschlossen ist der Athos nicht – weder Trivago noch sonst ein Reiseanbieter bieten Übernachtungsmöglichkeiten oder Touren auf Athos an. Unsere Planungen dauerten Monate. Kartenmaterial aus verschiedenen Jahren und unterschiedlichen Quellen und Google Earth bilden die Grundlage für einen eigenen Plan. Ob dieser so umzusetzen ist, wird sich erst vor Ort zeigen (kleine Vorschau: Natürlich mussten wir improvisieren – sogar an ganz wesentlichen Stellen).

Auch an einem so abgelegenen Ort gibt es sie: Geocaches

Neben den geistlichen Kostbarkeiten die dieses einzigartige Land bereithält, wollten wir auch die Möglichkeit ergreifen einige weltliche Schätze zu finden: Geocaches. Hier vergehen schonmal 1-2 Jahre bis zum FTF! Einige Caches wurden in 7 Jahren nur 7 mal gefunden. Zwar sind die meisten Caches nur kleine Dosen, doch reizen alleine schon die sehr geringe Fundzahl und natürlich die super interessanten Orte, den Caches einen Besuch abzustatten.

Zum Zeitpunkt unserer Reise existierten auf dem Athos neun Geocaches. Sieben davon liegen in der Nähe unseres Weges:

  • The bakery in Karyes (GC2XV63)
  • Μονή Σταυρονικήτα – Stavronikita monastery (GC48AH0)
  • The miraculous icon of Iviron (GC29CWE)
  • THE CAVE OF ATHANASIOS (GC2XV0B)
  • IM SIMONASPETRA (GC29CN0)
  • Agiou Dionisiou Monastery (GC46KQ9)
  • The Filotheou waterfals (GC3KQEV)

Zwei weitere Geocaches befinden sich nahe bzw. auf dem Gipfel des Heiligen Berges auf über 2.000 Metern.

  • The Panagia chapel (GC3KQE4)
  • AGION OROS – MOUNT ATHOS – THE SUMMIT (GC1BMZY)

Pilgern und Cachen auf dem Heiligen Berg Athos: Die erste Etappe

Die erste Etappe unserer Tour auf dem Heiligen Berg Athos wird in Ouranoupolis beginnen. Mit einem Boot werden wir nach Dafni, dem Haupthafen von Athos, übersetzen. Auf unserem Weg über die alten Pilgerpfade zum Kloster Stavronikita besuchen wir auch Karyes, den größten Ort der Halbinsel.

Was wir erlebten, welche Caches wird fanden, lest ihr im ersten Teil unserer Artikelserie “Heiliger Berg Athos – Pilgern und Cachen in einer mystischen Welt”. Jeden Monat erscheint ein neuer Artikel. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben? Schaut regelmäßig bei geoadventures.blog rein oder liked unsere Facebook-Seite: geoadventures.blog .

Ouranoupolis: Verbindung zum Heiligen Berg Athos

Prosphorios-Turm in Ouranoupolis

Voller Vorfreude und Neugier auf das, was uns in den nächsten Tagen erwartet, holen wir im Pilgerbüro unsere Einreisepapiere ab.

Das morgendliche Ouranoupolis. Die kleinen Geschäfte am Hafen haben gerade geöffnet. Der Duft von frisch geröstetem Kaffee umschmeichelt unsere Nasen, ein Coffee-To-Go und eine frische, warme Käsepita machen das Warten auf das Boot “Mikra Agia Anna” (kleine heilige Anna) angenehm. Um uns herum bildet sich schon zu dieser frühen Uhrzeit eine Traube von Männern in schwarzen Gewändern und mit langen Bärten – orthodoxe Mönche – sowie einige – mehrheitlich osteuropäische – Pilger.

Nahe des Prosphorios-Turmes, einem alten byzantinischen Wachturm, der heute das Wahrzeichen von Ouranoupolis ist, legt die “Mikra Agia Anna” an. Sofort bricht Gemurmel und hektisches Treiben aus: Während die Besatzung Kisten voller Lebensmittel, Treibstoffkanister und unzählige mit Waren verschiedenster Art gefüllte Säcke und Kartons aufs Boot lädt, reden Menschengruppen auf den Kapitän und seinen Helfer ein. Bei allen machen sich nämlich Zweifel breit, ob das Boot tatsächlich alle Wartenden mitnehmen könne. Zwar hatten wir bereits von Deutschland aus telefonisch einen Platz reserviert, aber eine schriftliche Bestätigung gab es natürlich nicht – es ist eben keine Reise mit Buchungssystem. Hier muss man im Zweifel improvisieren – was uns bei der Rückfahrt am Ende unserer Reise noch sehr nützlich sein sollte. Aber dazu später mehr.

Wichtiger als der Reisepass: Das Diamonitirion, die Einreiseerlaubnis für den Heiligen Berg Athos

Auf einer der handschriftlich vollgekritzelten Listen stehen tatsächlich unsere Namen. Der Kapitän beäugt uns aufmerksam. Denn jetzt ist der Moment gekommen, das wichtigste Papier – und das einzige “formale Dokument”, das wir bei diesem Abenteuer brauchen – zu überprüfen: Das Diamonitirion, die Einreiseerlaubnis für den Heiligen Berg Athos.

Diamonitirion

Diamonitirion

Das Diamonitirion muss im Vorfeld der Reise beim Pilgerbüro der Heiligen Gemeinde des Athos in Thessaloniki beantragt werden. Pro Tag dürfen nicht mehr als 120 Personen die Halbinsel betreten – davon maximal 12 nicht-orthoxen Glaubens. Das Diamonitirion wird für höchstens 4 Tage ausgestellt, über eine Verlängerung entscheidet die Heilige Epistasia in Karyes. Auch das war eine der Ungewissheiten unserer Pilgerreise, denn es ist bekannt, dass über alle Fragen der Einreise sehr streng entschieden wird – und die Entscheidung ist abschließend und nicht anfechtbar. Sich illegal dort aufzuhalten wäre ohnehin keine gute Idee: Denn nur mit einem gültigen Diamonitirion hat man eine Chance, in den Klöstern zu übernachten… und wer macht schon gerne die Bekanntschaft mit Schlangen, wilden Hunden und anderen Tieren?

Dafni: Wir betreten heiligen Boden

Als der Kapitän nach dem Beladevorgang unsere Namen aufruft, sind wir erleichtert. Kurz darauf legt das Boot in Ouranoupolis ab. Das Abenteuer beginnt.

Die rund einstündige Schifffahrt zieht sich entlang der schroffen und zerklüffteten Küste der Mönchsrepublik, bis wir sie endlich sehen können: die ersten Klöster des Athos. Unwirklich wirken sie, wie eine Kulisse aus den Erzählungen Tolkiens. Gewaltige burgähnliche Anlagen flankiert von Wehrtürmen und geschützt durch hohe Mauern.

Aghios Panteleimon – russisch-orthodoxes Kloster an der Küste des Athos

Kurz darauf erscheint dann auch zum ersten Mal der mehr als 2.000 Meter hohe Heilige Berg Athos mit seinem schneebedeckten Gipfel. Ein überragender Anblick, der sich uns auf dem Schiff bietet- mitten drin in einer anderen Welt.

Unser Schiff legt in Dafni, dem Haupthafen der Halbinsel an. Von hier aus findet der hauptsächliche Personen- und Warenumschlag des Athos statt. Mönche, Pilger und Arbeiter, die auf dem Athos mit der Restauration von Klöstern beschäftigt sind, sowie Polizei und Zoll wuseln zwischen den freilebenden Hunden und Katzen umher.

In diesem regen Treiben versuchen wir die Übersicht zu behalten und können immerhin einen Transporter finden, der uns  nach Karyes, dem Hauptort der Halbinsel, mitnimmt. Die Fahrt führt uns über eine bucklige, schlaglochreiche Sandstrecke in das Landesinnere. Karyes liegt etwa 400 Meter über dem Meeresspiegel. Das Gefährt klappert und knackt, während der Fahrer es über die Sandpiste prügelt. Immerhin… schneller als 30 km/h fährt er nicht – und dafür danken wir Gott mehr als einmal. Denn die Abhänge sind ungesichert und fallen Steil zum Meer hin ab. Am Ende unserer holprigen Fahrt kommen wir tatsächlich auf dem Hauptplatz von Karyes an.

Karyes: Regierungssitz mit 160 Einwohnern und da ist er, unser erster Cache auf Athos!

Protaton-Kirche in Karyes, erbaut im 10. Jahrhundert.

Karyes ist der zentrale Ort der Mönchsrepublik und Sitz der Verwaltung, des Parlaments und der Regierung des Mönchsstaates sowie des Repräsentanten des griechischen Staates.

Wir stehen auf einem großen Platz, auf dem sich Transporter und alte Busse tummeln. Spontan erinnern wir uns an den Wikipedia-Eintrag. Vom “größten Verkehrsknotenpunkt” und “regelmäßigen Linienbusverbindungen” ist dort die Rede. Schnell hat man aus unserer weltlichen Perspektive eine geordnete Hauptstadt vor dem inneren Auge. Die Realität ist völlig anders.

Alles funktioniert auf Zuruf… oder auch nicht… und am Ende irgendwie doch. Wir schauen in den Ort: Eine Mischung aus Mittelerde und der Winkelgasse aus Harry Potter. Kitschig? Nein. Übertrieben? Auch nicht. Das ist tatsächlich unser erster Gedanke. 160 Einwohner leben hier. Zwei kleine Lebensmittelläden verkaufen Kräuter, Honig, Ikonen und viele andere Produkte, die auf dem heiligen Berg hergestellt werden. Die Verbindung zur “Außenwelt” sichert eine Post und eine Bäckerei bietet selbstgebackenes Brot und wenige, aber sehr leckere Süßspeisen an.

Im Zentrum von Karyes ragt die prachtvoll von Panselinos ausgemalte Protaton-Kirche hervor. Direkt daneben thront erhaben die Heilige Epistasia, die Regierung der autonomen Mönchsrepublik. Noch heute müssen wir dort um eine Verlängerung unserer Einreiseerlaubnis bitten: Sieben Tage soll unsere Wanderung dauern – doch unsere Einreiseerlaubnis ist nur vier Tage lang gültig. Die Anzahl der Nicht-Geistlichen auf der Halbinsel ist beschränkt und die Heilige Epistasia wacht mit besonderer Strenge über diese Regel. Deshalb sind wir ehrlich nervös, dort vorzusprechen. Die Heilige Epistasia entscheidet sofort und abschließend. Die Tür ist verschlossen. Da öffnet sich ein Fenster und ein Mönch tritt an uns heran. Die Person, die befugt wäre, das Diamonitirion zu verlängern, sei noch nicht da. “Wann kommt er?” – “Versucht es in einer Stunde wieder”. Unsere erste Lektion heißt also: GEDULD.

Die haben wir natürlich… denn ganz in der Nähe lockt uns der Duft frischer Backwaren in die Bäckerei von Karyes. Tritt man durch die Eingangstür, steht man direkt in der Backstube. Hier wird geknetet, geformt, gebacken und gleichzeitig verkauft. Der Bäcker gibt uns einen Hinweis, der uns jeden Tag auf dem Athos begleiten wird: Die vorösterliche Fastenzeit hatte begonnen. Auf dem gesamten Athos wird es keine Produkte mit tierischen Erzeugnissen geben. Bei den ganzen sorgfältigen Planungen in Deutschland, war uns dieser Umstand irgendwie durch die Lappen gegangen.

Bäckerei in Karyes – hier ist Handarbeit angesagt.

Wir decken uns mit den verfügbaren Pitasorten (Tahini, Oliventomate) ein. Alles Handarbeit, alles frisch: Das waren die leckersten Backwaren, die wir je gegessen haben!

Direkt um die Ecke war er dann versteckt: Unser erster Geocache auf Athos! The bakery in Karyes (GC2XV63) liegt in einer alten Mauer, die zum Teil mit Efeu bewachsen ist. Die Suche gestaltet sich schwieriger als gedacht, denn die Koordinaten springen wie wild und Mauerlücken gibt es hier etliche. Aber hey! Ausgerechnet bei unserem ersten Cache werfen wir sicher nicht die Flinte ins Korn. Während Alex die Mauer absucht, bekomme ich Besuch. Streunende Katzen… überall auf Athos, wo Menschen sind, sind auch sie. Kaum haben sie einen Happen von mir bekommen, traben auch streunende Hunde an. Wer sich erweichen lässt, hat also die ganze Herde am Bein.

“Ich hab ihn” – da hat Alex die Dose in der Hand. Natürlich ist es eine Filmdose, die hinter einem der vielen Steine in der Mauer verborgen war. Dazu noch ein bißchen Efeu und schon war sie perfekt: Die Cachesuche durch Abtasten der einzelnen Steine.

Der Cache zeigt eine für Athos typische Fundbilanz: Es dauerte fast ein Jahr bis zum FTF. In 6 Jahren wurde er 22-mal gefunden und gehört damit zu den häufiger gefunden Caches auf dem Athos!

“Evlogite” – unser erstes Gespräch mit einem Mönch

Kurz nach dem Loggen taucht er dann doch auf: Ein Muggel. In Karyes natürlich ein Mönch.

Nach dem Äußeren zu urteilen ist er über 80 Jahre alt. Eher wackelnd als gehend kommt er den Weg entlang. “Evlogite”, “Segne mich”, grüßen wir ihn. Er hält kurz inne. Betrachtet uns aufmerksam. “O Kyrios”, “Der Herr möge dich segnen”, erwidert er unseren Gruß, fragt woher wir kommen und wieso wir Athos besuchen. Wir berichten ihm, dass wir Pilger aus Deutschland sind und auf eine Verlängerung unseres Diamonitirions hoffen um zu Fuß die Klöster des Heiligen Berges besuchen zu können. Unser Gespräch dauert eine Weile. Trotz seines hohen Alters hat der Mönch einen klaren, festen Blick und ist sehr redegewandt. Er segnet uns zum Abschied und zitiert mehrere Bibelstellen, die zu unserer Reise passen. Im Gehen hält er kurz inne, fragt nach unseren Namen und geht nickend weiter.

Verlängerung des Diamonitirions, eigenhändig Barnabaz, Abt des Klosters Vatopedi, unterschrieben.

Zurück vor der Heiligen Epistasia machen wir uns bereit für die Anhörung und legen uns eine Argumentation zurecht, wieso wir unseren Aufenthalt verlängert bekommen möchten. Soweit sollte es aber gar nicht kommen. Ein Mitarbeiter der Epistasia kommt auf uns zu: Wir hätten einen Fürsprecher gehabt. Unsere Verlängerung wird mit einem Siegelabschlag beurkundet und von Barnabaz, Abt des Klosters Vatopedia, unterschrieben. Barnabaz ist eines der vier weiteren Mitglieder der “Heiligen Verwaltung”. Leider finden wir nicht heraus, wer ein gutes Wort für uns eingelegt hat. Aber da wir uns nur mit einem Menschen länger unterhalten haben ist es eigentlich klar: Es kann nur der alte Mönch gewesen sein. Manchmal kommt es doch viel einfacher, als man zunächst befürchtet.

Auf dem Weg zum Kloster Stavronikita: Kein Cache, dafür ein schöner Lost Place

Bei unseren Reisevorbereitungen sind wir auf einen Hinweis nach einem alten verlassenen Sakralbau nahe Karyes aufmerksam geworden. Ein wenig Recherche brachte schließlich die ungefähre Lage ans Licht.

Die Spitze des Lost Places war erst erkennbar, als wir schon fast davorstanden.

Mit unseren ersten Eindrücken des orthodoxen Lebens auf dem Heiligen Berg Athos verlassen wir Karyes. Nach einiger Zeit auf einem alten Fußpfad erreichen wir die verlassene Ruine, die über die Jahrzehnte so zugewachsen ist, dass wir ihre Dachspitze erst sehen können, als wir schon kurz davor stehen. Durch dichtes Buschwerk bahnen wir uns den Weg zum Hauptgebäude. Der Verfall ist deutlich und doch lädt die Ruine zu Erkundungen ein. Der Boden ist an vielen Stellen durchgebrochen, sodass wir nicht in die obere Etage gelangen können… sehr schade, denn mit allerlei Verrenkungen schaffen wir es, Fragmente der Wand- und Deckengemälde zu sehen… der Innenraum wäre ganz sicher sehr interessant.

Wer mag hier einst gelebt haben? Wieso wurde ein jahrhunderte altes Kellion einfach aufgegeben? Was hat sich in seiner Blütezeit hier abgespielt? Wir haben es auch daheim bei weiterer Recherche nicht herausgefunden.

Der Ort hat etwas magisches. Eine gefühlte Ewigkeit stehen wir vor der Ruine – sollen wir es doch riskieren, über die eingebrochenen Böden zu gehen? Nein. Eine ernsthafte Verletzung wäre fatal. Nicht am ersten Tag unserer Pilgertour. Dennoch – wir hoffen, unsere Fotos können wenigstens einen kleinen Eindruck von der Faszination vermitteln, die von diesem Lost Place ausgeht.

Auf dem Weg zurück eröffnen sich uns grandiose Aussichten, die die Schönheit und Erhabenheit dieses Ortes so einmalig machen, sich aber nur ansatzweise beschreiben oder in Fotos festhalten lassen. Zum Beispiel die Aussicht auf die Skite Hl. Andreas, die hoch über Karyes thront.

Wir setzen unseren Weg zum Kloster Stavronikita fort. Nach einem längeren Fußmarsch über die seit Jahrhunderten von den Mönchen genutzten Fußpfade, gelangen wir zu einem Kellion. Bis auf die Hauskatze scheint aber niemand zuhause zu sein. Hier endet abrupt der Fußpfad. Ein totes Ende? Wir haben zwar eine grobe Orientierung, aber wenn da kein Weg ist, ist da kein Weg… Gut. Durchatmen, erstmal die Rucksäcke absetzen und überlegen. Rund um das Kellion nochmal alles absuchen – und da ist er: Der Cacherblick, der kleinste Details wahrnimmt.

Hinter Blattwerk und dichter Vegetation liegt ein kleiner schmaler Pfad. Der Winter hat seine Spuren hinterlassen, denn der steinige Pfad ist mit etlichen umgefallenen Baumstämmen und großen Ästen gesäumt und links und rechts ordentlich zugewachsen. Ein Rinnsaal läuft den Pfad entlang – mal kaum zu sehen, mal in voller Breite, doch immer ausreichend, um die moosbedeckten Steine schön glitschig zu halten. Unsere erste Erfahrung mit den alten Pilgerwegen auf dem Athos. Wir sollten in den nächsten Tagen lernen, dass das ein Kinderspiel und allenfalls ein Vorgeschmack auf das ist, was noch auf uns zukommen sollte.

Stavronikita: Zwischen Spiritualität, Prunk, Einfachheit und einem Geocache

Plötzlich taucht es vor uns auf. Stavronikita – unser erstes Kloster, das wir als Pilger besuchen werden. Beeindruckend. Eine Burg. Erhaben. Wir fühlen das Flair von Herr der Ringe – und schlagartig wird uns bewusst, dass so ein Filmklischee völlig unangemessen ist. Das hier ist Teil der tiefen Historie des Heiligen Berg Athos. Ein sehr alter Teil der christlichen Geschichte und wir dürfen an ihr teilhaben.

Kloster Stavronikita

Voller Ehrfurcht betreten wir das Klostergelände und folgen einem alten Aquädukt zur Eingangspforte. Ein sehr alter Mönch sitzt hinter dem Fenster und studierte ein dickes Buch. Es ist der Archontari, der Quartiermeister des Klosters, der für den Empfang der ankommenden Pilger zuständig ist.

Er und ein weiterer Mönch begrüßen uns und reichen uns Wasser und Loukoumi zur Stärkung. Loukoumi ist eine traditionelle Süßspeise aus dem orientalischen Kulturkreis auf Basis eines Zuckersirups, meist im Geschmack von Rosenwasser. Wirklich sehr süß! Für den mitteleuropäischen Gaumen vielleicht auch ein bißchen zu süß. Nach anstrengenden und kräftezehrenden Tagestouren aber das ideale Begrüßungshäppchen um die Energiedepots schnell wieder aufzufüllen.

Wandbild des Heiligen Nikolaus

Während wir unser erstes Loukoumi auf Athos genießen, berichtet der junge Mönch von der Geschichte des Klosters. Stavronikita ist das jüngste unter den Großklöstern des Athos und wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts während der Herrschaft der Osmanen in den Wirren nach dem Fall Konstantinopels und dem Untergang des Byzantinischen Reiches gegründet. Der größte Schatz des Klosters ist eine in der ganzen orthodoxen Welt bekannte Ikone des Heiligen Nikolaus, auf den das Kloster auch geweiht ist. Einer alten Überlieferung zufolge wurde die Ikone von Fischern im Meer entdeckt. Auf der Stirn des Heiligen Nikolaus klebte eine Muschel. Als die Fischer die Muschel ablösten, begann die Ikone an dieser Stelle zu bluten.

Im Anschluss an die Geschichte bittet uns der junge Mönch, uns in das Gästebuch des Klosters einzutragen. Ein Buch, in dem über Jahrhunderte die Pilger des Klosters, darunter Händler, Edelmänner, Geistliche aber auch Glücksritter und sogar Könige, ihren Besuch dokumentierten. Wir geben uns Mühe, besonders schön zu schreiben. Es klingt vermutlich etwas kitschig, aber der Moment ist für uns etwas besonderes, denn uns wird klar, dass nun auch wir Teil der langen und wechselvollen Geschichte dieses Klosters sind.

Pilgern in der Fastenzeit: Verzicht und Anstrengung

Die Fastenzeit bedeutet Verzicht. Und nach vielen Kilometern mit mehr als 20 kg Gepäck auf dem Rücken verzichtet man ganz Besonders. Im Speisesaal steht eine helle, nicht eindeutig definierbare, dickflüssige und kalte Suppe bereit. Dazu Brot, Oliven und einige Blätter Salat. Wein wird natürlich nicht gereicht, nicht in der Fastenzeit. Dafür Wasser aus den klaren Quellen des Athos. Nach so einem aufregenden Tag sind wir dankbar. Dankbar, heil hier angekommen zu sein, dankbar, ein Essen vorzufinden und dankbar, dazu eingeladen zu sein.

Geschmacklich ist die Suppe kein Highlight. Alex und ich werfen uns einen vielsagenden Blick zu – aber außer den Pitas in Karyes haben wir noch nichts gegessen. Und wir wissen alle: Wenn der Teller nicht geleert wird, gibt es morgen schlechtes Wetter!

Kyrie eleison – ein Gottesdienst und ein Geocache

Der Gottesdienst. Für uns beide daheim sehr selten geworden – hier sind wir neugierig und gespannt, was uns erwartet.

Wir betreten das Katholikon, die kleine Kirche im Innern des Klosters, und bestaunen den mit Fresken aus verschiedenen Epochen ausgemalten Kirchenbau. Alle Wände sind mit herrlichen Heiligen-Malereien verziert, die der große Meister Theofanes von Kreta (1500-1559) angefertigt haben soll.

Stavronikita gehört zu den Klöstern mit einer strengen Gottesdienstordnung. Nicht-orthodoxe Pilger dürfen während der Liturgie nur den Kirchenvorraum betreten, aus dem sie die Messe zwar ebenfalls mitbekommen, doch den prächtigen Altarraum nicht sehen können. Während Alex, der Katholik ist, sich mit zwei weiteren Pilgern und einigen Mönchen im Vorraum der Kirche aufhält, gehe ich in den kleinen Hauptraum. Das Zentrum bildet eine wunderschöne Ikonostase. Eine mit prächtigen und sehr alten Ikonen geschmückte goldene Wand, die den Kirchen- vom Altarraum trennt. Der Altarraum selbst darf nur vom Priester durch eine Tür in der Ikonostase betreten werden. Hier bekomme ich auch die berühmte Mosaik-Ikone des Heiligen Nikolaus zu Gesicht, von der uns der junge Mönch erzählt hatte.

Die Messe beginnt mit einer Art gesungenem Zwiegespräch zwischen zwei Mönchen auf Grundlage von Bibeltexten in byzantinischem Griechisch. Die Liturgieabfolge selbst ist für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen. Der einzige Brauch, der sich uns erschließt ist, dass sich die Gläubigen bekreuzigen, sobald die Dreieinheit (Gott, der Vater, Jesus Christus, Gottes einziggezeugten Sohn und der Heiligen Geist) erwähnt oder das Kreuz oder eine Ikone verehrt wird. Das machen auch wir. Was am Anfang sicher etwas lustig aussieht, denn wir machen es ein wenig zeitverzögert zu den routinierten Mönchen.

Der Kirchenraum ist nur spärlich mit Kerzen beleuchtet. Es ist sehr warm, die Luft stickig. Ich fühle mich plötzlich unwohl, der Weihrauch scheint mir die Luft abzuschnüren – die Messe war für mich vorzeitig beendet.

GC48AH0 Μονή Σταυρονικήτα – Stavronikita monastery

In dieser Mauer liegt er: GC48AH0

Wir sitzen auf der Mauer vor dem Kloster. Die frische Luft die vom Meer herüberweht ist ein Segen, langsam erhole ich mich wieder. Das Klostergelände ist wie ausgestorben – alle Mönche und Pilger befinden sich in der Kirche.

Der Moment ist gekommen. Unser zweiter Cache auf dem Heiligen Berg will gefunden werden: Μονή Σταυρονικήτα – Stavronikita monastery (GC48AH0).

GC48AH0 – in 4 Jahren 5 mal aus der Mauer geborgen

Wieder in einer Mauer – und DIESE Mauer ist lang… richtig lang. Mauercaches mögen wir ja auch daheim ganz besonders: Entweder findet man sie ganz spontan oder man sucht sich den Wolf. Alex untersucht akribisch das Mauerwerk, während ich mich so positioniere, um auf plötzlich auftauchende Mönche oder Pilger reagieren zu können. Für die weltliche Suche nach Plastikdosen würden Mönche, die ihr ganzes Leben dem Glauben widmen, eher wenig Verständnis haben. Es dauert nicht lange bis Alex die Dose in den Händen hält. 9 Fundlogs an 5 Tagen in 4 Jahren – selbst 2 Jahre nach dem Publish reichte es noch, um aufs Treppchen zu kommen. Das sind wirklich paradiesische Verhältnisse. Daheim beginnt nach dem Publish eines Tradis das Autorennen um die ersten Minuten und auf den letzten Metern wird gerannt. Hier ist eben tatsächlich alles sehr “entschleunigt”.

Von den Erlebnissen geschlaucht, aber um so viele Eindrücke reicher

Vor dem Klostertor liegt das Gästehaus. Wie erwartet ist unser Zimmer spartanisch eingerichtet, aber gemütlich. Ein Öllämpchen leutet uns in der Nacht – Strom gibt es in dem Zimmer nicht.

Endlich finden wir Zeit, nach den vielen neuen Eindrücken des Tages etwas zu entspannen und uns im gedämpften Licht der Öllampe mit den in Deutschland angefertigten Planungen für den nächsten Tag auseinanderzusetzen. “Plopp… plopp”, da ist es – das Geräusch, das wir so gar nicht gebrauchen können: dicke Regentropfen trommeln an unser Fenster. Matschige Pfade auf einer ohnehin gefährlichen Trekkingpassage versprechen keine guten Voraussetzungen für den morgigen Tag.

Lest von unserer zweiten Etappe:

In aller Frühe brechen wir zum Kloster Karakalou auf. 10 km Strecke liegen vor uns. In Summe wird es mehr als 800 Höhenmeter hoch und etwa 600 Höhenmeter wieder runter gehen. So der Plan. Es kommt anders: Wilde Hunde versperren uns den Weg, ein Küstenpfad ist gefährlicher, als gedacht und was macht eigentlich der Maler mitten im Nirgendwo? Achso: Zwei Geocaches natürlich – wieder echte Seltenheiten! Liked unsere Facebook-Seite und ihr erfahrt sofort, wenn der Artikel veröffentlicht wird: geoadventures.blog


Die weiteren Teile unserer Artikelserie “Pilgern und Geocachen auf dem Heiligen Berg Athos” findest du hier:
Teil 1: Auf gehts ins Abenteuer
Teil 2: Iviron, Karakallou und ein Geocache samt Maler
Teil 3: Megisti Lavra und eine schmerzliche Entscheidung


Ein Kommentar:

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